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Das Ver­hält­nis von be­hördlich an­ge­ord­neter Quar­an­täne zu bere­its gewährtem Er­hol­ung­surlaub

Offenbach am Main 2022 August, 22

Der Urlaub­sanspruch für Ar­beit­nehmerIn­nen di­ent in er­ster Lin­ie der Er­hol­ung. Dies ergibt sich aus § 1 BUrlG. Dies hat zur Folge, dass eine während des Er­hol­ung­surlaubs nachgewiesene Erkrankung gemäß § 9 BUrlG nicht an­gerech­net wird. Die entsprechen­den Tage verbleiben dem­nach auf dem Urlaub­skon­to und man kann sie „nach­holen“. Of­fen ist bis­lang die Frage geblieben, was mit bere­its gewährten Urlaub­sta­gen geschieht, wenn man als Ar­beit­nehmerIn eine be­hördlich an­ge­ord­nete Quar­an­täne einzuhal­ten hat, ohne dabei je­doch ar­beit­sun­fähig erkrankt zu sein. In einem solchen Fall kön­nte man der Auf­fas­sung sein, dass der Er­hol­ungszweck des Urlaubs grund­sät­zlich nicht tang­iert wird.

Der Ne­unte Sen­at des Bun­de­sar­beits­gerichts hat ein Vor­abentschei­dungser­suchen an den Gericht­shof der Eu­ropäis­chen Union gerichtet, um die Frage klären zu lassen, ob aus dem Union­srecht die Verpflich­tung des Ar­beit­ge­bers abzuleit­en ist, einem Ar­beit­nehmer bezahlten Er­hol­ung­surlaub nachzugewähren, der zwar während des Urlaubs selb­st nicht erkrankt ist, in dieser Zeit aber eine be­hördlich an­ge­ord­nete häus­liche Quar­an­täne einzuhal­ten hat­te.

Der Kläger ist seit 1993 bei der Beklagten als Schloss­er beschäftigt. Auf seinen Antrag be­wil­ligte ihm die Beklagte acht Tage Er­hol­ung­surlaub für die Zeit vom 12. bis zum 21. Ok­to­ber 2020. Mit Bescheid vom 14. Ok­to­ber 2020 ord­nete die Stadt Ha­gen die Ab­son­derung des Klägers in häus­liche Quar­an­täne für die Zeit vom 9. bis zum 21. Ok­to­ber 2020 an, weil er zu ein­er mit dem Coro­n­avirus SARS-CoV-2 in­fizierten Per­son Kon­takt hat­te. Für die Zeit der Quar­an­täne war es dem Kläger un­ter­sagt, seine Woh­nung ohne aus­drück­liche Zus­tim­mung des Gesund­heit­samts zu ver­lassen und Be­such von haushalts­frem­den Per­so­n­en zu emp­fan­gen. Die Beklagte be­lastete das Urlaub­skon­to des Klägers mit acht Tagen und zahlte ihm das Urlaub­sent­gelt.

Der Kläger hat die auf Wiedergutschrift der Urlaub­stage auf seinem Urlaub­skon­to gerichtete Klage da­rauf gestützt, es sei ihm nicht möglich gewe­sen, seinen Urlaub selb­st­bes­timmt zu gestal­ten. Die Sit­u­a­tion bei ein­er Quar­an­täneanord­nung sei der in­folge ein­er krankheits­be­d­ingten Ar­beit­sun­fähigkeit ver­gle­ich­bar. Der Ar­beit­ge­ber müsse ihm de­shalb entsprechend § 9 BUrlG, dem zu­folge ärztlich at­testierte Krankheit­szeit­en während des Urlaubs nicht auf den Jahresurlaub an­gerech­net wer­den dür­fen, nachgewähren.

Das Lan­desar­beits­gericht ist dieser Auf­fas­sung gefol­gt und hat der Klage stattgegeben. Für den Ne­un­ten Sen­at des Bun­de­sar­beits­gerichts ist es entschei­dungser­he­blich, ob es mit Art. 7 der Ar­beit­szeitrichtlin­ie 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 der Char­ta der Grun­drechte der Eu­ropäis­chen Union im Ein­klang ste­ht, wenn vom Ar­beit­nehmer beantragter und vom Ar­beit­ge­ber be­wil­ligter Jahresurlaub, der sich mit ein­er nach Urlaub­s­be­wil­li­gung durch die zuständi­ge Be­hörde an­ge­ord­neten häus­lichen Quar­an­täne zeitlich über­schnei­det, nach na­tionalem Recht nicht nachzugewähren ist, weil der be­trof­fene Ar­beit­nehmer selb­st nicht krank war.

Der Entschei­dung des Gericht­shofes der Eu­ropäis­chen Union hin­sichtlich dieser in­ter­es­san­ten Frage wird mit Span­nung ent­ge­genge­se­hen. Die Antwort ist sowohl für Ar­beit­ge­ber- als auch für Ar­beit­nehmer­seite wichtig, um Rechtssicher­heit zu schaf­fen, da ger­ade in den bevorste­hen­den Herb­st- und Win­ter­monat­en mit be­hördlich an­ge­ord­neten häus­lichen Quar­an­tä­nen zu rech­nen ist.

Vas­sil­ios Mpouras

Bun­de­sar­beits­gericht, Beschluss vom 16. Au­gust 2022 – 9 AZR 76/22 (A)

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