Impfpflicht in Gesundheits-, Pflege- und Betreuungseinrichtungen?

Impfpflicht in Gesundheits-, Pflege- und Betreuungseinrichtungen?
Offenbach am Main • 2022 February, 23
In rund 3 Wochen soll bundesweit die einrichtungsbezogene Impfpflicht in Kraft treten, die der Bundestag am 10. Dezember 2021 durch das Gesetz zur Stärkung der Impfprävention gegen COVID-19 beschlossen hat. Neben der Frage, ob die Regelung tatsächlich bundesweit greifen wird (Bayern will erstmal abwarten), wird der hierbei neu eingefügte § 20a IfSG meist aufgrund der Formulierung: „Folgende Personen müssen ab dem 15. März 2022 entweder geimpft oder genesen sein…“ dahingehend interpretiert, dass er eine umfassende einrichtungsbezogene Impfpflicht beherberge. Schaut man sich Absatz 5 der Regelung allerdings genauer an, ist vielmehr richtig, dass Beschäftigte von betroffenen Einrichtungen bis zum 15. März 2022 lediglich einen Nachweis über eine vollständige Impfung oder Genesung vorlegen müssen, damit sie weiter beschäftigt werden dürfen. Keineswegs trifft den Arbeitgeber automatisch die Pflicht, Personal zu entlassen. Lediglich Neueinstellungen von Ungeimpften werden ab dem 16. März 2022 unter Bußgeldandrohung verhindert.
§ 20a Abs. 1 Satz 1 IfSG nennt Einrichtungen und Personen.
Neben dem recht umfassenden Katalog der Vorschrift, hat Gesundheitsminister Lauterbach vor Kurzem eine 23-seitige Handreichung vorgelegt, um die Bundesländer bei der Umsetzung zu unterstützen. Hiernach werden Krankenhäuser, Einrichtungen für ambulantes Operieren, Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen, Dialyseeinrichtungen, Tageskliniken, Entbindungseinrichtungen, Arztpraxen, Zahnarztpraxen und Betriebsärzte sowie Praxen sonstiger humanmedizinischer Heilberufe. Eingeschlossen sind darüber hinaus Behandlungs- oder Versorgungseinrichtungen wie etwa Hospizdienste, spezialisierte ambulante Palliativversorgung und Blutspendeeinrichtungen. Erwähnt sind zudem Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitsdienstes, in denen medizinische Untersuchungen, Präventionsmaßnahmen oder ambulante Behandlungen durchgeführt werden. Eine Impfpflicht gilt dem Papier zufolge auch für Rettungsdienste, sozialpädiatrische Zentren nach § 119 SGB V, medizinische Behandlungszentren für Erwachsene mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen nach § 119c SGB V, Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation nach § 51 SGB IX und Dienste der beruflichen Rehabilitation, Begutachtungs- und Prüfdienste, die auf Grund der Vorschriften des SGB V oder SGB XI tätig werden. Apotheken gehören nicht zu den oben genannten Einrichtungen. Das gelte auch dann nicht, wenn dort Impfungen durchgeführt würden, heißt es in dem Papier.
Die Vorschrift erfasst nach ihrem Wortlaut diejenigen Personen, die in den vorgenannten Einrichtungen und Unternehmen tätig sind. Es kommt also nicht darauf an, auf welcher rechtlichen Grundlage die Tätigkeit erfolgt. Erfasst sind Arbeitnehmer ebenso wie freie Mitarbeiter, Auszubildende und Ehrenamtliche. Darüber hinaus wird auch nicht unterschieden, welche konkrete Tätigkeit die jeweilige Person ausübt, so dass sämtliche Einrichtungsbereiche darunterfallen, also Geschäftsführung ebenso wieReinigung, Küche und medizinisches, beziehungsweise Pflege- und Betreuungspersonal. In zeitlicher Hinsicht ist ein längerer Zeitraum und nicht nur etwa wenige Minuten erforderlich. Daher sind Postbedienstete oder Fahrradkuriere, die sich in der Regel nur kurze Zeit in den Einrichtungen aufhalten, nicht erfasst. Einen Grenzfall könnten beauftragte Firmen (z.B. Handwerker) bilden. Hier wird es auf eine Einschätzung im Einzelfall ankommen.
Bis zum 15. März 2022 müssen die vorgenannten Beschäftigten dem Arbeitgeber einen Nachweis über eine vollständige COVID-19-Schutzimpfung, einen Genesenennachweis oder ein ärztliches Attest, wenn sie sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können, vorlegen. Liegt der Nachweis nicht bis dahin nicht vor oder bestehen Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises, sind die Einrichtungsleiter verpflichtet, das zuständige Gesundheitsamt zu benachrichtigen. Dieselben Pflichten gelten, wenn nach dem Ablauf der Gültigkeit kein neuer Nachweis vorgelegt wird. Um die Einhaltung der Impfpflicht zu kontrollieren, kann das Gesundheitsamt Nachweise anfordern, auch wenn der Arbeitgeber das Gesundheitsamt nicht eingeschaltet hat. Das Gesundheitsamt kann die Beschäftigung in den Einrichtungen untersagen und ein Betretungsverbot verhängen, wenn die Nachweise nicht vorgelegt werden. Bei Nichteinhaltung der gesetzlichen Vorgaben droht Arbeitgebern und Arbeitnehmern ein Bußgeld von bis zu EUR 2.500.
Ein Verbot weiter in der Einrichtung tätig zu werden, greift alleine wenn das Gesundheitsamt nach der Prüfung dem Betroffenen ein konkretes Betretungsverbot ausspricht. Erst dann ist es nicht mehr zulässig und mit Bußgeld bedroht, Betroffene weiter einzusetzen. Das Gesundheitsamt hat also einen Ermessenspielraum, sofern die Funktionsfähigkeit der Einrichtung bedroht ist. Die Einrichtungen können die Entscheidung somit beeinflussen, indem sie die drohenden Folgen eines etwaigen Betretungsverbots für ihren eigenen Betrieb und für die Versorgung von Klienten und der Bevölkerung darstellen.
Ordnet das Gesundheitsamt nach dem 16. März ein Betretungsverbot wegen fehlender Immunisierung an und weigert sich die betroffene Person dauerhaft, einen Nachweis vorzulegen, könnte eine Kündigung in Betracht kommen. Maßnahmen vor diesem Zeitpunkt, etwa eine verhaltensbedingte Kündigung, sofern der Arbeitnehmer nicht vor dem 16. März von sich aus Schritte einleitet, um seine Leistungsfähigkeit sicherzustellen, begegnen rechtlichen Bedenken. Es gilt hier abzuwarten, wie die Gerichte im Falle von Kündigungsschutzklagen entscheiden werden.
Vorstehendes gilt nicht für Personen, die auf Grund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen das Coronavirus geimpft werden können.
RA Christian Dreiling









