LG Berlin zur Kündi­gung eines Wohn­raum­mi­etver­hält­niss­es: Ver­säum­nisse des Be­treuers wiegen weniger schw­er als ein Eigen­ver­schulden des Mi­eters

20. Juni 2022
Haf­tung des Vertreters

LG Berlin zur Kündi­gung eines Wohn­raum­mi­etver­hält­niss­es: Ver­säum­nisse des Be­treuers wiegen weniger schw­er als ein Eigen­ver­schulden des Mi­eters

Offenbach am Main • 2022 June, 20

Die Be­treue­rin des Mie­ters hat­te den Dau­er­auf­trag für die Miet­zah­lun­gen im De­zem­ber 2020 ge­kün­digt, weil auf­grund der Ein­füh­rung des „Ber­li­ner Mie­ten­de­ckels“ die ge­naue Höhe der zu zah­len­den Mie­te un­klar war. Par­al­lel zur Ein­stel­lung des Dau­er­auf­trags hat­te die Be­treue­rin den Ver­mie­ter ge­be­ten, die künf­ti­gen Mie­ten im Last­schrift­ver­fah­ren ein­zu­zie­hen. Die­ser Bit­te kam der Ver­mie­ter „aus tech­ni­schen Grün­den“ nicht nach.

Da die Be­treue­rin den Dau­er­auf­trag in der Fol­ge nicht recht­zei­tig wie­der in Kraft setz­te, kün­dig­te der Ver­mie­ter dem seit 2017 un­ter Be­treu­ung ste­hen­den Mie­ter das Miet­ver­hält­nis we­gen aus­ste­hen­der Mie­ten der Mo­na­te De­zem­ber 2020 und Ja­nu­ar 2021 or­dent­lich. Auf­grund die­ser Kün­di­gung lei­tet der Ver­mie­ter die Räu­mungs­kla­ge in die Wege, ob­wohl die aus­ste­hen­den Mie­ten nach­träg­lich be­gli­chen wor­den wa­ren.

Der Ver­mie­ter un­ter­liegt mit sei­ner Kla­ge vor dem Amts­ge­richt und legt Be­ru­fung ein. Das Land­ge­richt Ber­lin be­stä­tigt das kla­ge­ab­wei­sen­de erst­in­stanz­li­che Ur­teil.

Zwar habe der Mie­ter pflicht­wid­rig und schuld­haft ge­han­delt, in­dem er die für die Mo­na­te De­zem­ber 2020 und Ja­nu­ar 2021 ge­schul­de­ten Mie­ten (zu­nächst) nicht ent­rich­tet hat. Da­bei sei ihm das fahr­läs­si­ge Ver­hal­ten sei­ner Be­treue­rin zu­zu­rech­nen.

Nach er­folg­ter Ab­wä­gung der Um­stän­de er­reicht der Ver­trags­ver­stoß nach An­sicht des LG Ber­lin je­doch nicht das aus­rei­chen­de „Ge­wicht“, um eine Kün­di­gung des Miet­ver­hält­nis­ses zu recht­fer­ti­gen.

Das Land­ge­richt hat da­bei fol­gen­des be­rück­sich­tigt:

  • Der Mie­ter hat in der Ver­gan­gen­heit die Mie­ten im­mer pünkt­lich ge­zahlt bzw. durch die Be­treue­rin zah­len las­sen.
  • Der Aus­fall der bei­den Miet­zah­lun­gen be­ruh­te nicht auf ei­nem Ei­gen­ver­schul­den des Mie­ters, son­dern auf ei­nem fahr­läs­si­gen Ver­hal­ten der Be­treue­rin.
  • Auch der Ver­mie­ter habe sich pflicht­wid­rig ver­hal­ten, weil es ihm in die­sem kon­kre­ten Fall ob­le­gen hät­te, den Mie­ter bzw. die Be­treue­rin vor Aus­spra­che der Kün­di­gung auf die Zah­lungs­rück­stän­de hin­zu­wei­sen.

In sei­nem Ur­teil führt das LG recht um­fang­reich aus, dass das Ver­schul­den der Be­treue­rin bei der Be­wer­tung, ob eine miet­ver­trag­li­che Pflicht­ver­let­zung vor­liegt, weit we­ni­ger schwer wiegt als ein (hier nicht vor­lie­gen­des) Ei­gen­ver­schul­den des Mie­ters.

Der Ver­mie­ter auf der an­de­ren Sei­te muss­te – auf­grund der Kor­re­spon­den­zen über die (vom Ver­mie­ter ab­ge­lehn­te) Ein­rich­tung ei­ner Ein­zugs­er­mäch­ti­gung – da­von aus­ge­hen, dass es sich bei den aus­blei­ben­den Miet­zah­lun­gen schlicht um eine Läss­lich­keit bzw. ein Ver­se­hen der Be­treue­rin ge­han­delt hat­te. Nach Auf­fas­sung des LG Ber­lin geht es zu­las­ten des Ver­mie­ters, dass er den Mie­ter durch um­ge­hen­den Aus­spruch der Kün­di­gung hat „ins Mes­ser lau­fen las­sen“, an­statt ihn vor­her noch­mals auf die Rück­stän­de hin­zu­wei­sen.

In der Ge­samt­schau die­ser Um­stän­de ist das Land­ge­richt Ber­lin zu dem Er­geb­nis ge­kom­men, dass kein hin­rei­chen­der Grund für die Be­en­di­gung des Miet­ver­hält­nis­ses be­stand.

Die Ent­schei­dung ist si­cher­lich mie­ter­freund­lich. Denn ge­ne­rell gilt, dass der Schuld­ner für das Ver­schul­den von ge­setz­li­chen Ver­tre­tern und Er­fül­lungs­ge­hil­fen haf­tet, so­weit er auch für ei­ge­nes Ver­schul­den und den ei­ge­nen Pflicht­ver­stoß ver­ant­wort­lich ist. Im Fal­le von – wie hier – ei­ner Be­treue­rin als ge­setz­li­cher Ver­tre­te­rin ist ge­ne­rell so­gar de­ren hö­he­re Schuld­fä­hig­keit maß­geb­lich. Wei­ter hat der Mie­ter für Zah­lungs­ver­zö­ge­run­gen, die durch ge­setz­li­che Ver­tre­ter oder Er­fül­lungs­ge­hil­fen ver­ur­sacht wer­den, ein­zu­ste­hen.

In al­ler Re­gel kann sich der be­treu­te Mie­ter also nicht dar­auf ver­las­sen, dass das Ge­richt auf­grund der blo­ßen Tat­sa­che, dass eine Be­treu­ung ein­ge­rich­tet ist, im Fal­le ei­ner Zah­lungs­ver­zugs­kün­di­gung Mil­de wal­ten lässt. Es ist zu er­war­ten, dass be­treu­te Mie­ter sich in ver­gleich­ba­ren Fäl­len den­noch künf­tig auf die Ent­schei­dung des LG Ber­lin be­ru­fen wer­den, um die Räu­mung ab­zu­wen­den.

Dem­entspre­chend emp­fiehlt sich eine sorg­fäl­ti­ge Vor­be­rei­tung bei Kün­di­gung und Räu­mungs­kla­ge. Hier­bei be­ra­ten wir Sie ger­ne.

Einzel­fra­gen
21. Juni 2023
Auch in der Miet­ver­wal­tung hält die Di­gi­ta­li­sie­rung Ein­zug. Ins­be­son­de­re pro­fes­sio­nel­le Ver­mie­ter ten­die­ren zur pa­pier­lo­sen Trans­for­ma­ti­on ih­rer Mie­ter­ak­ten. Die­ser Bei­trag be­fasst sich mit der Fra­ge, ob ein Wohn­raum­miet­ver­hält­nis pa­pier­los, also in rein di­gi­ta­ler Form ge­lebt wer­den kann.
Gen­er­a­tionsüber­greifend­er
15. Mai 2023
Der Be­darf an Wohn­raum, etwa in Bal­lungs­räu­men wie im Rhein-Main-Ge­biet, ist nach wie vor im­mens. Durch ge­stie­ge­ne Grund­stücks-, Bau­prei­se und ins­be­son­de­re ei­nen stei­len Zins­an­stieg sind je­doch die Mög­lich­kei­ten des „klas­si­schen“ Er­werbs von Ei­gen­hei­men deut­lich er­schwert und viel­fach un­mög­lich ge­wor­den. Die Si­tua­ti­on wird da­durch er­schwert, dass jun­gen, wohn­raum­su­chen­den Fa­mi­li­en häu­fig das für ei­nen Ei­gen­tums­er­werb not­wen­di­ge Ei­gen­ka­pi­tal fehlt. Äl­te­re Per­so­nen ver­fü­gen hin­ge­gen zwar oft über das not­wen­di­ge Ei­gen­ka­pi­tal, ihre Er­werbs­zeit ist aber für eine Til­gung der auf­zu­neh­men­den Fremd­fi­nan­zie­rung zu­meist nicht mehr aus­rei­chend. Fi­nan­zie­rungs­an­fra­gen wer­den da­her oft ne­ga­tiv be­schie­den.
Ge­plante Än­derun­gen
25. November 2022
wir möch­ten Sie hier­mit dar­auf hin­wei­sen, dass im Rah­men des Jah­res­steu­er­ge­set­zes 2022, wel­ches be­reits als Re­gie­rungs­ent­wurf vor­liegt, Än­de­run­gen bei der Be­wer­tung von Grund­stü­cken für Erb­schaf­ten und Schen­kun­gen nach dem 31.12.2022 vor­ge­se­hen sind, wel­che ins­be­son­de­re bei der Be­wer­tung von Im­mo­bi­li­en im Er­trags- und Sach­wert­ver­fah­ren teil­wei­se er­heb­li­che Än­de­run­gen mit sich brin­gen.
Drin­gen­der
2. November 2022
In Um­set­zung der EU-Richt­li­nie über trans­pa­ren­te und vor­her­seh­ba­re Ar­beits­be­din­gun­gen in der Eu­ro­päi­schen Uni­on (RL-EU 2019/1152) hat der Ge­setz­ge­ber zahl­rei­che Än­de­run­gen im Nach­weis­ge­setz be­schlos­sen, wel­che in § 2 NachwG im Ein­zel­nen nie­der­ge­legt sind und am 01.08.2022 in Kraft ge­tre­ten sind.
Die Un­ter­rich­tung
21. Oktober 2022
Was um­fasst die Un­ter­rich­tungs­pflicht des Ar­beit­ge­bers bei der Ei­gen­kün­di­gung ei­nes Ar­beit­neh­mers? Bei ei­ner Ei­gen­kün­di­gung sei­tens des Ar­beit­neh­mers stellt sich die Un­ter­rich­tungs­pflicht des Ar­beit­ge­bers ein­fach dar: Die Kün­di­gung be­darf der schrift­li­chen Form gem. § 623 BGB. Wenn sie nicht au­ßer­or­dent­lich gem.
Be­w­er­tungsän­derun­gen
7. Oktober 2022
Am 30. April 2021 hat das In­sti­tut der Wirt­schafts­prü­fer in Deutsch­land e.V. (IDW) den Rech­nungs­le­gungs­hin­weis IDW RH FAB 1.021 „Han­dels­recht­li­che Be­wer­tung von Rück­stel­lun­gen für Al­ters­ver­sor­gungs­ver­pflich­tun­gen aus rück­ge­deck­ten Di­rekt­zu­sa­gen“ ver­ab­schie­det. Durch die Ver­laut­ba­rung mit ih­ren grund­le­gen­den Ver­än­de­run­gen wird mit teils er­heb­li­chen Aus­wir­kun­gen auf die han­dels­bi­lan­zi­el­le Be­wer­tung von Ver­pflich­tun­gen aus Di­rekt­zu­sa­gen und die kor­re­spon­die­ren­den Rück­de­ckungs­ver­si­che­run­gen ge­rech­net.
Ar­beit­szeit
29. September 2022
Al­les be­gann mit ei­nem Streit um die Kom­pe­ten­zen des Be­triebs­rats im Rah­men sei­nes ge­setz­lich vor­ge­se­he­nen Mit­be­stim­mungs­rechts vor dem Ar­beits­ge­richt Min­den (Be­schluss v. 15.09.2020 - Az.: 2 BV 8/20). Es en­de­te al­ler­dings mit ei­ner Grund­satz­ent­schei­dung zur Ar­beits­zeit­er­fas­sung vor dem Bun­des­ar­beits­ge­richt (Be­schl. v. 13.9.2022 - Az.: 1 ABR 22/21).
Schutz für in­terne
18. September 2022
Er­gän­zend zur DS-GVO (insb. Art. 37 ff. DS-GVO) hat der deut­sche Ge­setz­ge­ber in § 38 Abs. 2 BDSG i. V. m. § 6 BDSG fest­ge­legt, dass die Ab­be­ru­fung von Da­ten­schutz­be­auf­trag­ten („DSB“) nur bei ent­spre­chen­der An­wen­dung des § 626 BGB zu­läs­sig ist. Es müs­sen da­her die Vor­aus­set­zun­gen ei­ner frist­lo­sen Kün­di­gung aus wich­ti­gem Grund vor­lie­gen. Der EuGH hat in sei­nem Ur­teil vom 22.06.2022 (Az.: C-534/20) zu die­sen Schutz­rech­ten
Das Ver­hält­nis
22. August 2022
Der Ur­laubs­an­spruch für Ar­beit­neh­me­rIn­nen dient in ers­ter Li­nie der Er­ho­lung. Dies er­gibt sich aus § 1 BUr­lG. Dies hat zur Fol­ge, dass eine wäh­rend des Er­ho­lungs­ur­laubs nach­ge­wie­se­ne Er­kran­kung ge­mäß § 9 BUr­lG nicht an­ge­rech­net wird. Die ent­spre­chen­den Tage ver­blei­ben dem­nach auf dem Ur­laubs­kon­to und man kann sie „nach­ho­len“. Of­fen ist bis­lang die Fra­ge ge­blie­ben, was mit be­reits ge­währ­ten Ur­laubs­ta­gen ge­schieht,
Keine Ver­längerung
3. August 2022
Das COVMG vom 27. März 2020 über Maß­nah­men im Ge­sell­schafts-, Ge­nos­sen­schafts-, Ver­eins-, Stif­tungs- und Woh­nungs­ei­gen­tums­recht zur Be­kämp­fung der Aus­wir­kun­gen der CO­VID-19-Pan­de­mie hat der Bun­des­tag am 7. Sep­tem­ber 2021 bis zum 31. Au­gust 2022 ver­län­gert. Ein Re­ge­lungs­ele­ment hier­bei war die zeit­lich be­fris­te­te Ver­län­ge­rung des um­wand­lungs­steu­er­li­chen Rück­wir­kungs­zeit­punk­tes für die Jah­re 2020 und 2021 von 8 auf 12 Mo­na­te.
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